Zu den Vinylversionen bekommen wir ein limitiertes FANZINE der Band dazu - nur solange der Vorrat reicht!
Der Nachfolger zur allseits beliebten und abgefeierten Deus Ex Machina!
Info von Sebastian Hotz (El Hotzo) :
"Ein Highway. Der schwarze Asphalt, aus dem der Zahn der Zeit längst große Stücke gebissen hat, wird von einer gelben Linie geteilt. Vor dir der Horizont, hinter dir die Trümmer deines Lebens. Vielleicht hängt aus deinem Mund eine Zigarette, ganz sicher aber fährst du ein Auto ohne Dach und Sicherheitsgurte. Das Pedal berührt den Boden und lässt irgendeinen Motor viel zu laut dröhnen. Ob an dir die Post-Apokalypse oder eine popkulturell idealisierte Form der USA immer schneller vorbeiziehen, ist scheissegal, denn du wirst aufgesogen, mitgerissen, durch einen inneren Moshpit geschubst und spürst die unwiderstehliche Mischung aus Kampfreflex und Fluchtinstinkt, wie sie nur ein Geschwindigkeitsrausch am Rande der Selbstzerstörung auslösen kann. Oder eben “Dead Ahead”, der Opener des am 02.09.2022 erscheinenden dritten Albums “Crushed by the Weight of the World” der Berliner Band PABST.
Ihr ständig heraufbeschworener Tod gehört längst zur Folklore gitarrenlastiger Musik, obwohl der Gegenbeweis zu dieser angestaubten These auch in Deutschland seit einigen Jahren in der überraschend vielseitigen Landschaft der Indiebands zu finden ist. Doch im Meer deutschen Indierocks des 21. Jahrhunderts, stechen PABST hervor wie das Feuerauge im Golf von Mexiko. Erik Heise, Tore Knipping und Tilman Kettner gelang schon ab dem ersten Akkord ihrer ersten EP “Skinwalker” (2016) die Schaffung eines unverwechselbaren Sounds, der selbst in Studio-Versionen die Energie eines Live-Auftritts besitzt und mit jedem Ton danach schreit, mindestens kopfnickend vor irgendeiner Bühne erlebt werden zu wollen.
Das ist selbstverständlich kein Zufall, sondern exakt so gewollt: PABST haben es sich zum Markenzeichen gemacht, Alben grundsätzlich live einzuspielen, heißt: Für “Crushed by the Weight of the World” begab man sich dafür in die Lala/Echolux Studios in Leipzig und in den Transporterraum Berlin. Verantwortlich für die so entstehende Intensität, die sich auch beim Hören in der U-Bahn sofort überträgt, sind die Produzenten Magnus Wichmann (u. a. Paan, Baical, Leoniden) und Adam Lennox (kreativer Kopf des Projekts Zouj).
Trotz unüberhörbarer Anklänge der Rock-Ikonen der 90er Jahre und dem Anfang der 2000er, klingen PABST zeitgemäß und treffen den Sweet Spot aus kantig und glatt, aus clean und dreckig. Der treibende Rhythmus ist dabei kein Selbstzweck, vereinigt er sich doch mit den englischsprachigen Texten, die zwischen hymnischer Melancholie und beißender Selbstironie wechseln und dazu einladen ellenlang auf Genius.com interpretiert zu werden. Jeder Song von PABST klingt, als wäre er Teil des Soundtracks eines Films, der dir im Raucherbereich irgendeines Clubs empfohlen wurde.
Doch für den Wiedererkennungswert müssen PABST nicht mal gehört werden - egal, ob Cover-Artworks, Musikvideos oder die breite Palette ihres Merchs: PABST spielen visuell längst auf dem Niveau millionenschwerer Star-Acts und schlägt diese hinsichtlich Kreativität und Einfallsreichtum um Längen. Umso dankenswerter ist es, dass PABST ihr hohes ästhetisches Niveau auch musikalisch halten können und mit “Crushed by the Weight of the World” ihr mittlerweile drittes Album an den Start bringen.
Man möchte fast “endlich” sagen, doch die Endlosigkeit, die seit dem Release von “Deuce Ex Machina” verging, ist nur eine gefühlte. Die knapp zwei Jahre, die seitdem verstrichen sind, scheinen durch den ständigen Strom neuer Hiobsbotschaften in den Newstickern unserer Handys seltsam gedehnt. Wer hätte gedacht, dass Einstein mit “Zeit ist relativ” das hier meint? Der Riss durch die Matrix des Denkbaren, der seit März 2020 durch unsere Realität verläuft, ist unweigerlich auch an PABST nicht spurlos vorbei gegangen. Beeinflusst wurde dabei nicht nur der kreative Prozess, sondern sicherlich auch die gesamte Haltung ihres neuen Albums.
Dabei begeht “Crushed by the Weight of the World” nicht den Fehler die Pandemie monothematisch abzuhandeln, sondern ist vielmehr Ausdruck des Gefühls, das die Generation zwischen Millennial und Gen Z vielleicht prägen wird: die ohnmächtige Wut, die entsteht, wenn man dabei zusehen muss, wie die Zeit, die die beste des Lebens sein sollte, wie Sand zwischen den Händen zerrinnt. Ob ein textlich wie musikalisch fast schon soziologisch ambitioniertes Werk das Ziel war, als Erik, Tore und Tilman getrennt voneinander begangen dieses Album zu schreiben, darf bezweifelt werden. Eine derart einfühlsame, wie musikalisch aufregende Auseinandersetzung mit wütender Ohnmacht, ohnmächtiger Wut, mit mentaler Gesundheit und dem sozialmedialen Umgang mit ihr oder der bangen Angst viel zu früh den eigenen Zenit überschritten zu haben, gelingt wohl nur, wenn man es gar nicht erst versucht.
In den zwölf kurz gehaltenen Tracks von “Crushed by the Weight of the World” gibt es viel zu Nicken - manchmal wegen des Texts, manchmal wegen der Musik, meistens wegen beidem. PABST fangen die Melancholie einer Gegenwart ein, die nicht besonders viel Lust auf die Zukunft macht, ohne sich dabei in pathetischem Cringe zu verlieren. Die zwölf Tracks, die sich allesamt kürzer anfühlen als sie sind, sind stilistisch abwechslungsreich, ohne Kompromisse beim PABST™-Sound eingehen zu müssen. So befindet sich auf dem Album mit dem Opener “Dead Ahead”, ein im positivsten Sinne amerikanischer Rocksong, mit “No Future? No Thanks!” ein Pop Punk-Song im Stile von Blink 182 und wer in “Daddy’s Boy” David Bowie-Passagen raushört, liegt bestimmt auch nicht ganz falsch. PABST werden dabei allerdings nie nostalgisch, berühren die alten Helden nur kurz, um sich so schnell wie möglich wieder von ihnen zu verabschieden. Es ist ein stilistisches Sampeln, nicht mehr als ein kleiner Querverweis, der klar macht, dass PABST mit beiden Füßen im Jahr 2022 stehen, statt wie viele Genre-Kollegen Vergangenes zu idealisieren.
Die gesamte textliche, wie musikalische Wucht von PABST entlädt sich auf “Mercy Stroke”. Über den gewohnt schnellen Riffs, die trotzdem jedes Mal aufs Neue so präzise treffen, wie ein Laser bei einer Augen-OP, verfassen PABST das Manifest einer resignierenden Jugend, die mit dem Glaube an eine mögliche Weltrettung in ihre Adoleszenz startete, der nun aber droht zerquetscht zu werden in den langsam mahlenden Mühlen einer prä-apokalyptischen Welt. “We’re the mercy stroke so what’s the use?!”, was soll das alles überhaupt noch bringen?
Einen anderen Teilaspekt des Lebens zu Beginn der Zwanziger Jahre greifen PABST mit dem namensstiftenden “Crushed” auf. Begleitet von aufgesetzt fröhlichen wirkenden Tönen, wird mit nur wenigen Worten die Trendiness des Themenkomplex Mental Health fast schon filetiert. Denn so wichtig die gestiegene Awareness für psychische Gesundheit gerade “in Zeiten von…” ist, so schädlich ist der oft flache, nicht mehr als Aufmerksamkeit heischende Umgang damit. In endlosen Litaneien aufklärerischer Infoslides scheinen mentale Probleme längst im Alltag angekommen, aber was bringt das Betroffenen, wenn sich daraus nicht mehr als ein pseudointellektuell überhöhtes Wandtattoo ableiten lässt? Sich selbst müsste man lernen zu lieben, heißt es da oft, aber was ist, wenn es da nichts zu lieben gibt? “Before you’re getting crushed by the weight of the world / You gotta have a crush on yourself” ist vielleicht die eindrücklichste Zeile dieses an eindrücklichen Zeilen nicht armen Albums. Und vielleicht die, die sich schon bald schlecht tätowiert auf den Armen, Oberschenkeln der Hörer:innenschaft finden wird.
“Crushed by the Weight of the World” fügt sich lückenlos in das beeindruckende Gesamtwerk von PABST und zementiert ihren Status, als eine der aufregendsten Rock- Bands des Landes, wahrscheinlich Europas. Während die lyrisch angeschlagenen Töne zeitgeistbedingt ernster werden, bleiben die tatsächlichen Töne eine Evolution ihres bisherigen Werks. PABST machen es ihrer Hörer*innenschaft leicht, sich auf sie einzulassen, denn PABST sind nicht nur klanglich wie visuell beeindruckend, sondern in allem, was sie sind, nahbar und - verzeiht die Wortwahl - relatable. Oder um es mit ihrem inoffiziellen Motto zu sagen:
A Band. Kinda Nice. Please check out."