Für Fans von Bob Mould, Sugar, Pop Unknown, Nothing, Slow Crush, Jimmy Eat World, Samiam, Codeine, 40 Watt Sun, Get Up Kids, Foo Fighters, Dinosaur JR, Helmet, Metallica
File Under: Shoegaze, Emo, Collegerock, Indie
Entropy sind das Brainchild von Hans. Menschen über 40, die sich für Gitarrenmusik interessieren, kennen Hans natürlich noch als Sänger und Gitarrist der legendären Münsteraner Emoband Hillside. Das war früher.
Nun hat Hans sich entschlossen, endlich wieder Musik zu machen, und ich bin sicher, dass er sich das lange und vor allem sehr gut überlegt hat. Zunächst hat er Demos seiner Songs gemacht, mittlerweile hat er eine richtige Band, 3 Leute, die seinen monumentalen Breitwandgitarren den richtigen Punch verpassen. Die Songs sind nämlich bei aller Melancholie und bei aller Melodiösität auch sehr brachial. Brachial laut.
Selbst auf Platte wirken die Gitarren unheimlich laut. Am Bass steht übrigens kein Geringerer als Philip Heidemann, den man aus Bands kennt wie Durango 95, The Now-Denial, Night Slug oder aktuell EA 80. Der Mann kennt sich aus.
Natürlich ist einem diese Sound-Ästhetik von früher vertraut, aus den frühen 90ern, heutzutage gilt das alles als Shoegaze, früher war das noch nicht ganz so genau abgegrenzt, Emo nannte man das auch, oder College Rock, aber diese Schubladen sind alle viel zu eng. Denn so wenig, wie hier das Rad neu erfunden wird, so sehr tropft die Leidenschaft aus den Boxen: wundervolle Gesangsharmonien, die immer wieder ohne Umschweife an Bob Mould erinnern, da drunter eine drückende Rhythmusfraktion, die auch in einer Doombesetzung eine gute Figur abgeben würde, und diese Gitarren, die mich schier wahnsinnig machen. Eine breite, dicke undurchdringliche Wand, geschichtet, gestapelt, bis in schwindelerregende Höhen. Weit und groß. Ich fühle mich hier direkt zuhause.
Aufgenommen hat Jens Siefert in den RAMA Studios, die bekannt dafür sind, sehr genau auf die speziellen Wünsche und Bedürfnisse ihrer Bands einzugehen und mit ihrem analogen Equipment das bestmögliche aus jeder Session herauszuholen.
Diese Platte klingt unheimlich gut.
Der Spannungsbogen ist schön durchdacht, allein schon nach dem Opener „Northern Lines“ bleibt man ratlos zurück und fragt sich, wie die Band dieses Niveau auf Plattenlänge durchhalten will, und dann kommen so Uptempo-Hämmer wie „Balancing the Edges“ oder „General System Theory“, aber auch Tearjerker wie „Knausguardian“, der in seiner emotionalen Intensität an Warning oder 40 Watt Sun erinnert, aber eben nicht so reduziert, sondern mit viel Zuckerguss obendrauf, Sugar eben.
Dass die Band aus Deutschland kommt, merkt man ihr in keiner Sekunde an, so amerikanisch klingt sie, und das meine ich als Kompliment. Und dass man so lange auf neue Musik von Hans warten musste: geschenkt. Wenn sie so gut ist!
Andere Leute formulieren in so einem Fall gerne "steht den Vorbildern in nichts nach", die Formulierung finde ich aber generell unglücklich, weil sich das liest wie "will wohl, aber kann nicht" oder "war stets bemüht", das hat einen negativen Beigeschmack, hör Dir mal "Enemy" an oder "Northern Lines" oder direkt "Knausguardian", wenn Du Dich traust, dann verstehst Du vermutlich, was ich meine. Entropy stehen für sich selbst und verfolgen unerbittlich und unermüdlich die Idee des perfekt ausgewogenen Songs. Es handelt sich hier um nicht weniger als die beste Emo-Indie-Platte aus Deutschland innerhalb der letzten 10 Jahre, und ich neige dazu, auf 15 zu erhöhen, weil mir schon seit Tagen nichts einfällt, was sich in der Nähe aufhält.
Für Fans von Gitarrenmusik ein Highlight, ein Melodiemassaker, ein melancholisches Manifest, eine Huldigung an den amerikanischen College Rock der frühen 90er Jahre. Sollte im Radio laufen und auf großen Festivals stattfinden.