GRAZ, das Debüt Album von Nils Frahm. Was, wie bitte? Wer den Klaviervisionär und -virtuosen schon einmal im Konzert erlebt hat, wird bereits wissen, dass Nils auch gelegentlich den einen oder anderen Scherz macht, ohne dabei eine Miene zu verziehen. Die Pointe kommt dieses Mal etwas verzögert: Graz ist tatsächlich das erste Studioalbum, das er schon 2009 für das Londoner Label aufgenommen hat. Nur ist dies irgendwie unter Verschluss geblieben - bis jetzt. Nils Frahm hat in aller Ruhe die gesamte Musikwelt auf den Kopf gestellt; er hat die jahrhundertealte Figur des Pianisten-Komponisten neu definiert, sie ins Jetzt überführt - für eine vollkommen neue Generation. Während seine Musik über Mundpropaganda immer mehr Menschen erreichte und in ihren Bann zog, kehrte auch sein Instrument zurück in den Fokus der Popkultur. Eine Entwicklung, die ihn und einige Gleichgesinnte im Jahr 2015 dazu inspirierte, den jährlichen Piano Day ins Leben zu rufen. Einen neuen Feiertag im Kalender, der eine der größten Erfindungen der Menschheitsgeschichte zelebriert. Mit Aufnahmen, die den Menschen und dieses Instrument in den Mittelpunkt rücken. Graz ist so eine Aufnahme. Eine bislang unveröffentlichte Momentaufnahme eines jungen Nils Frahm, mitgeschnitten im Jahr 2009 im Mumuth, dem Haus für Musik und Musiktheater der Kunstuniversität Graz, als Teil der Abschlussarbeit Conversations for Piano and Room, produziert von Thomas Geiger, der dafür im selben Jahr den 1. Preis in der Kategorie Classical Surround Recording der 127. AES Convention in New York in Empfang nehmen durfte. Zwar wurde damals beschlossen, jene Graz-Sessions am Konzertflügel beiseite zu legen, um sich stattdessen auf die gedämpften, ganz intim klingenden Klavierexperimente zu konzentrieren, die dann 2011 auf seinem gefeierten Studioalbum Felt zu hören waren. Jedoch sollten zwei der Kompositionen - und das gilt ganz besonders für Hammers - in seinen Livekonzerten weiterleben und sich erweitern; neu aufgenommen für Spaces, jenes Album, das ihm 2013 endgültig den Durchbruch bescherte. Graz dokumentiert den Moment, der ganz am Anfang jener wortlosen Revolution steht, die Nils in den Jahren danach auslösen sollte. Sein Genie, die Essenz seiner Handschrift ist schon hier zu erkennen: der harmonische Ausdruck der Klassik, die Unmittelbarkeit des Jazz. Es wirkt so, als würde Nils jede Idee für sich aufgreifen, ganz behutsam, nur auf den Moment konzentriert, um auch ja nicht die Muse wieder zu vertreiben.