Magische Momente entstehen einfach so. Die Musiker von Harmonia ereilte so ein Moment völlig unerwartet im Spätsommer 1976. Zwei Alben lagen zum damaligen Zeitpunkt hinter der Band, Musik von Harmonia (1974) und Deluxe (1975). Beide Werke gelten heute als Klassiker des Krautrock und der elektronischen Musik, doch danach endeten die gemeinsamen Planungen. Bis ein gewisser Brian Eno auf den Plan trat. Er wusste längst über Harmonia Bescheid, hatte sich 1974 sogar mal spontan in ein Konzert der Band eingeklinkt. Zwei Jahre später meldete sich Eno bei Harmonia und schlug eine Zusammenarbeit vor. Er war damals gerade auf dem Weg nach Montreux, um mit David Bowie an Low zu arbeiten. Mit Eno kam ein Geist mit großer Offenheit, unendlicher Spielfreude und einem enormen Fundus an Erfahrungen im Bereich populärer neuer Musik ins Spiel, und das hat offenbar die bereits verschlossene Tür öffnen können, so Roedelius. Trotzdem hat die Öffentlichkeit lange nichts von diesen Aufnahmen gehört, zum Teil deshalb, weil sie nicht für kommerzielle Zwecke bestimmt waren, zum Teil aber auch deshalb, weil die Originalbänder bei Eno lange Zeit als verschollen galten. Zum Glück hatten sich Roedelius und Rother Kopien von den Vierspurbändern gemacht. 1997 erschien aus heiterem Himmel das Harmonia-Album Tracks & Traces mit Ausschnitten aus den sagenumwobenen '76er-Sessions. Roedelius hatte das in seinem Besitz befindliche Material sondiert und in einem aufwändigen technischen Prozess editieren lassen. Die Musik ist wundervoll. Forsch rauscht in Vamos Compañeros ein Groove in Gestalt eines sich wiederholenden Dampflok-Sounds heran. Nach dem idyllischen Abstecher By The Riverside geht es sogleich in eine experimentell-abstrakte Phase mit düsterem Unterton über. Man hebt den warnenden Zeigefinger: Don't get lost on Lüneburg Heath! Nach einem Weird Dream hellt sich die Stimmung wieder auf, vernimmt man wärmere, pop-ähnliche Akkorde und die von späteren Arbeiten Enos bekannte, hier jedoch von Rother gespielte Slide-Gitarre. Aber natürlich war das nicht alles. Rother hatte ja auch noch seine Kopie in der Hinterhand, die seit 1976 bei ihm im Studio lag. Eines Tages entschloss auch er sich, die darauf enthaltenen Fragmente, 27 an der Zahl, zu digitalisieren. Daraus ließe sich womöglich ein ganzes Album machen, aber man verständigte sich darauf, drei Stücke als Ergänzung für die Wiederveröffentlichung des 97er Albums zu verwenden. Mit dem Entree Welcome und dem anschließenden Track Atmosphere baut sich das Album nun langsam auf, bevor es mit Vamos Compañeros in der gewohnten Form wieder Fahrt aufnimmt. Am Ende verstärkt Aubade den Eindruck eines versöhnlichen Ausklangs. Gut Ding will bekanntlich Weile haben. Nun liegt, 33 Jahre nach Entstehung des Materials, endlich eine rundum befriedigende Version eines lange verloren geglaubten Schatzes aus der Krautrock-Ära vor. Damit dürfte nun auch ein Schlussstrich unter das Kapitel HARMONIA gezogen sein. Die Band war zwar nach Veröffentlichung des gefeierten Konzertmitschnitts Live 1974 vor zwei Jahren wieder aktiv und hat einige umjubelte Konzerte in Berlin, Großbritannien, USA und Australien gegeben, aber Rother und Roedelius haben übereinstimmend erklärt, dass es keine Fortsetzung der Live-Auftritte geben werde... Gute Musik entsteht ungefiltert aus der Künstlerseele heraus, nicht aufgrund von wie auch immer gearteten Strategien und Gedankenspielen. Und wie man an Harmonia & Eno '76 - Tracks and Traces sieht, verblasst Qualität unter diesen Umständen nicht.
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