Zu manchen Firmenjubiläen gibt es goldene Uhren, zu anderen Würstchen und Bier.
Bei den Türen gibt es ein neues Album: Kapitalismus Blues Band. Schließlich arbeitet man seit 20 Jahren in der Unterhaltungsindustrie. So haben Die Türen vor 20 Jahren nicht nur eine Band gegründet, sondern auch das Label staatsakt. Sie verstehen also etwas vom Geschäft.
„Wer hat uns versprochen, hier einmal heile rauszukommen?“ fragen die Türen gleich zu Beginn im ersten Song „Gut für mich, schlecht für die Welt“ und beantwortet wird die Frage mit einem einfachen „Yeah!“ aus dem Sampler. Was in den anschließenden 37 Minute folgt ist ein hochenergetischer Ritt durch krautige Can Klangräume, düstere Wipers Riffs, partyselige Happy Mondays und Primal Scream Rave-Hymnen mit treibenden elektronischen Sequenzen, garniert mit Folksongs aus Opas Wohnzimmer.
Es ist nach „Exoterik“ das sechste Album der Band und selten klangen Die Türen so gegenwärtig. Musikalisch wie textlich verarbeiten sie die Überforderung in einer scheinbar aus den Fugen geratenen Welt. Grunewald is burning, im Osten herrscht Krieg und der Süden trocknet aus, während wir uns im Subtext des Gesagten verlieren. Kann man das so sagen, wurde es überhaupt gesagt, oder wurde es vielleicht im allgemeinen KI-Hype von ChatGPT geschrieben?
Die Bots fragen schon lange nicht mehr friedensbewegt, was sie trinken sollen, sondern spammen alles mit Hass voll. Willkommen im atemlosen Stillstand. Es ist immer zu viel los gerade! Dabei wollen wir zurück zu einer unbeschwerten Normalität, wissen aber nicht mehr, wie das geht. Wir sind raus aus dem Party Game und finden den Weg nicht mehr zurück. Vertrieben aus dem Bionade Paradies. Die Angst des weißen Mannes. Lost in Invest.
Es sind solche Bruchstücke, Gedanken und Versatzteile, aus denen Ramin Bijan, Chris Imler, Gunther Osburg, Andreas Spechtl und Maurice Summen mit ihrer Kapitalismus Blues Band in der Nähe von Angermünde in Sommerhitze und allerbester Spiellaune ein neues Album erschaffen haben, das leuchtet und strahlt wie ein Kirchenfenster von Gerhard Richter.
Mal transzendent, mal schwitzig diesseitig, aber nie andächtig still. Und das ist nicht nur gut für uns, sondern auch gar nicht so schlecht für die Welt.